Plädoyer für 100 Prozent erneuerbare Energien

Energieökonomin Professorin Claudia Kemfert referiert im „Forum Clausthal“ über Energiewende und Klimaschutz – im Anschluss diskutiert sie mit rund 100 Teilnehmenden.

Im aktuellen Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts sieht Energieökonomin Professorin Claudia Kemfert eine Art „Wellenbrecher“: „Damit erreichen wir eine neue Dimension im Klimaschutz. Das Urteil ist ein Handlungsauftrag für die Politik. Denn grundsätzlich haben wir kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.“ Dies betonte die Wissenschaftlerin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in der Veranstaltung „Forum Clausthal – Wissenschaft mit Verantwortung“ vor rund 100 Teilnehmenden.

In der dritten Auflage des digitalen Formats hielt die medienbekannte Energieexpertin, die als Mitglied im Sachverständigenrat für Umweltfragen die Bundesregierung berät, das Hauptreferat. Ihr Thema: „Wie uns die Corona-Krise in eine klimaneutrale Wirtschaft führen kann“. Mit diesem Aktualitätsbezug sowie der gesamten Veranstaltungsreihe möchte die TU Clausthal mithelfen, „dass sich die Wissenschaft in die Gesellschaft hinein öffnet“, unterstrich Universitätspräsident Professor Joachim Schachtner: „Eine Wissenschaft, die erklärt und teilhaben lässt und insbesondere auch den Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern sucht, das ist die Wissenschaft der Zukunft.“

Wie eine moderne Klimaschutz- und Energiepolitik in Zukunft aussehen sollte, davon hat Claudia Kemfert eine klare Vorstellung. Ein „Weiter-so“ und damit eine Erhöhung des globalen Temperaturanstiegs um drei Grad dürfe es nicht geben. „Die globalen Treibhausgase müssen reduziert werden, damit die Temperatur höchstens um zwei, besser nur um 1,5 Grad ansteigt.“ Deutschland hat nur durch den Corona-Effekt die Emissionsminderungsziele 2020 erreicht, insbesondere der Verkehrssektor hätte ohne Corona die Emissionsziele verfehlt. Nach der Pandemie müsse nun ein Rebound-Effekt vermieden werden – sprich, dass durch einen Rückschlageffekt wieder wesentlich mehr CO2 in die Atmosphäre gelangt. Für eine nachhaltige Emissionssenkung fordert die Professorin: „Das Energiesparen muss an erster Stelle stehen.“ Außerdem plädiert sie schnellstmöglich für den Ausstieg aus fossilen Energieträgern und dafür, verstärkt auf erneuerbare Energien zu setzen, insbesondere aus Sonne und Wind. Ein System, das zu hundert Prozent aus erneuerbaren Energien besteht, sei machbar. Zumal die Kosten für Solar- und Windenergie sowie Batterien gemäß wissenschaftlichen Studien „massiv sinken werden“.

Bis zu 890.000 neue Arbeitsplätze

Die renommierte Wissenschaftlerin macht die nach ihrer Ansicht erforderliche Entwicklung an vier Schlagworten fest: Dekarbonisierung (also Emissionssenkung vor allem durch den Ausbau der erneuerbaren Energien), Digitalisierung (intelligente Systeme), Dezentralisierung (wie beispielsweise Bürgerenergie) und Demokratisierung (Beteiligung der Gesellschaft). Das Ergebnis sei gut für das Klima, gut für die Gesellschaft und auch gut für die Wirtschaft. Durch Corona würden hierzulande zwar bis zu 500.000 Jobs wegbrechen, andererseits könnten durch eine „Konjunkturpolitik mit ökologischem Wumms“ bis zu 890.000 neue Arbeitsplätze entstehen.

Flankiert wurde die Hauptrednerin von zwei Korreferenten. Für die Clausthaler Studierenden sprach Florian Schmeing und wünschte sich: „Das Thema Nachhaltigkeit sollte sich wie ein roter Faden durch das Studium ziehen.“ Neben dem Fachlichen müsse ein Studium dazu befähigen, Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen. Professor Wolfgang Schade, ein Vertreter des Clausthaler Forschungsfeldes „Nachhaltige Energiesysteme“, bot in seinem Kurzvortrag den Studierenden an, sie in die Umsetzung von Themen wie Batterieforschung und Wasserstofftechnologien einzubeziehen. Sein Ansatz: „Innovationen in diesem Bereich gehen fast immer einher mit neuen Materialien.“

Nach einer angeregten Diskussion, moderiert von Professor Christian Berg, sprach Universitätspräsident Schachtner das Schlusswort zu der zweistündigen Veranstaltung. Verbunden mit einem Aufruf, in Bezug auf Klimaschutz und Energiewende verstärkt aktiv zu werden, zitierte er Seneca, den Jüngeren: „Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer.“

Video der Veranstaltung

 

Kontakt:
TU Clausthal
Pressesprecher
Christian Ernst
Telefon: +49 5323 72-3904
E-Mail: christian.ernst@tu-clausthal.de

Fünf Personen in einem Online-Meeting

Die medienbekannte Energieexpertin Professorin Claudia Kemfert mit Vertretern der TU Clausthal (im Uhrzeigersinn von oben links): Moderator Professor Christian Berg, Student Florian Schmeing, Universitätspräsident Professor Joachim Schachtner und Professor Wolfgang Schade. Foto: Ernst